Schlüsseltechnologie Bio-Chips

Aus der Science-Fiction Welt in die Realität

Jede Woche lockt die Fernsehserie „Akte X” Millionen Menschen vor die Fernsehschirme. Arnold Schwarzenegger fasziniert als „Terminator” weltweit die Kinobesucher. Science-Fiction ist gefragt wie nie zuvor. Dabei ist vieles von dem, was da als Zukunftsvision über die Filmleinwand flimmert schon längst Realität. Zumindestens wird schon heute in den großen Forschungslabors an Technologien gearbeitet, die für alle Menschen gewaltige Veränderungen bedeuten.

Neben der Mikroelektronik ist dabei die Biotechnologie eine der entscheidenden Schlüsseltechnologien für das 21. Jahrhundert. Sie wird allgemein verstanden als „die integrierte Anwendung von Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften mit dem Ziel, Organismen, Zellen, Teile daraus und molekulare Analoge technisch zu nutzen. Die Biotechnologie befasst sich folglich mit dem Einsatz biologischer Prozesse im Rahmen von technischen verfahren und industriellen Produktionen.” (Dellweg 1994, S. 170).

Was aber steckt nun ganz praktisch hinter dem Begriff der Biotechnologie? Eigentlich nichts wesentlich Neues. Die Herstellung von Brot, Bier und Wein zählt ebenso zur Biotechnologie, wie die Produktion von Antibiotika oder Enzymen. Neue Ansätze hat die Biotechnologie in der Gentechnik bzw. der Molekularbiologie gefunden.

Vor allem die Gentechnik ist ohne jeden Zweifel der Motor der neuen, zukunftsorientierten Biotechnologie. Denn sie liefert neue Einsichten in grundlegende Vorgänge des Lebens. Die Erkenntnisse daraus wiederum ermöglichen eine ganze Reihe von Anwendungsfeldern in höchst unterschiedlichen Gebieten. Angefangen von der Medizin, über die Tier- und Pflanzenproduktion, die Nahrungsmittelbe- und -verarbeitung, dem Umweltschutz bis hin zur Informations- und Kommunikationstechnik, wo beispielsweise an Biosensoren oder Biochips gearbeitet wird.

Unvorstellbar sind die Visionen des computergesteuerten, gläsernen Menschen oder eines „menschlich denkenden und handelnden” Roboters durchaus nicht. Schon lange denken Militärs darüber nach, Soldaten Computerchips zu implantieren, die virtuelle Landschaften ins Hirn transportieren und die Kämpfer an der Front per Joystick steuerbar machen. Auf Knopfdruck ließen sich sogar Adrenalin-Schübe oder Depressionen erzeugen. Eingepflanzte Mikrochips können nicht zuletzt mit Hilfe von Satelliten geortet werden, der Aufenthaltsort einer Person lässt sich so jederzeit bestimmen.

Fest steht auf jeden Fall, daß Chips in menschlichen Wesen sehr schnell im Kommen sind. Implantierungsexperimente an menschlichen Augen und Ohren finden seit langem statt.

Ein Beispiel: der „Vater der künstlichen Niere”, Professor William Kolff, präsentierte die Ergebnisse von Versuchen, bei denen 34 Personen winzige Metallplättchen mit 64 Elektroden ins Gehirn eingepflanzt wurden, um von einem Computer Impulse ins Gehirn zu leiten. Dahinter die Absicht, Blinde sehend zu machen. Das künstliche Sehsystem, das auf einem Kongress für Organverpflanzung gezeigt wurde, besteht aus einer Miniaturkamera und einem Mini-Computer, der die Bilder in elektrische Impulse wandelt, die vom Blinden als Lichtmuster wahrgenommen werden können.

Ein weiteres Beispiel, bei dem weder Kamera noch Computer erforderlich sind, heißt MPD. Dabei wird lediglich der Mikro-Chip mit einer großen Anzahl von Mikrophotodioden unter der Netzhaut eingepflanzt. Tierversuche haben ergeben, dass solche Chips an der Gehirnrinde eine lichtabhängige Aktivität erzeugen. Die erforderliche Energieversorgung ist also allein durch das ins Auge einfallende Licht gewährleistet. Dadurch, dass die Mikro-Photodioden in den gleichen Bereichen der Netzhaut lokalisiert sind wie die Photorezeptoren eines gesunden Auges, kann das Implantat den natürlichen Augenbewegungen folgen.

Beide Entwicklungen sind noch im Stadium der Tierversuche. Wenngleich die bisherigen Ergebnisse zur Weiterarbeit ermutigen, so ist doch die Zahl der noch ungelösten Probleme sehr groß. Insbesondere bei der Ankopplung von mikroelektronischen Bauteilen an Nervenzellen rechnen die Wissenschaftler mit unvorhersehbaren Schwierigkeiten. Es werden noch viele Chip-Entwicklungen erforderlich sein, bis Verträglichkeit und Langzeitstabilität gewährleistet sind.

Ganz klar, dass es natürlich auch viele negative Seiten hinsichtlich der Nutzung solcher Implantate gibt. Der Mensch könnte zu einem von Fremdkörpern durchsetzten kybernetischen Organismus werden, kontrollierbar und steuerbar. Nach Ansicht von Wissenschaftlern können Menschen solche Chips auch gegen ihren Willen und ohne ihr Wissen in sich tragen. Immerhin sind die kleinen Spione im Körper extrem klein. Schon 1993 entwickelte die amerikanische Firma Sematech einen Computerchip, der nur 0,35 Mikron misst – dies entspricht ungefähr einem Zweihunderstel der Dicke eines menschlichen Haares. Hinzukommt, dass die Chips keine Batterien brauchen, sondern sich beispielsweise über niederfrequente Radiowellen von außen steuern lassen.

Eine andere Entwicklung, an der Wissenschaftler derzeit arbeiten, ist der weitgehende Nachbau des menschlichen Gehirns in Form eines Chips. Unvorstellbar erscheint dies nicht, auch wenn die Realisation derzeit noch in sehr weiter Ferne liegt. Microsoft-Chef Bill Gates hat dazu ebenfalls eine Vision. „Ich sehe nichts Einzigartiges an menschlicher Intelligenz”, sagte Gates kürzlich. „Alle Neuronen im Gehirn, die für Wahrnehmungen und Gefühle zuständig sind, funktionieren binär. Eines Tages können wir das in einer Maschine replizieren.” Das irdische Leben, hält er fest, sei kohlenstoffabhängig, Computer dagegen seien silikonabhängig, aber das sei kein wichtiger Unterschied. „Irgendwann werden wir das menschliche Genom auf die Reihe bringen, dann können wir nachbauen, wie die Natur die Intelligenz in einem kohlenstoffabhängigen System zustande brachte.”

Immerhin zeigt sich, dass die Entwicklung von Mikrochips auch in der näheren Zukunft so dramatisch wie in der Vergangenheit verlaufen wird. In den letzten 15 Jahren ist die Anzahl der Elemente auf den daumennagelgroßen Chips um das 300fache gestiegen, und bis zum Jahr 2010 dürfte sich dieser Trend fortschreiben lassen. Auf einen Speicherchip passen dann 16 Gigabit an Daten, was dem Textinhalt von einer Million Schreibmaschinenseiten entspricht oder etwa 100 Minuten eines nach dem MPEG-Standard komprimierten Fernsehfilms. zugleich sinken die Kosten pro Speichereinheit um das 150fache gegenüber heute, auf unter 3 Pfennig pro Megabit.

Bei den Prozessoren, die die Daten verarbeiten, gibt es eine ähnliche Entwicklung. Ein Chip mit rund einer Milliarde Transistoren dürfte im Jahr 2010 etwa 10 Milliarden Rechneroperationen pro Sekunde (10 Gigaflops) leisten. Ein solcher Prozessor ist dann etliche hundertmal schneller als ein heutiger Pentium-Chip.

Vom Nachbau des Gehirns ist man also noch weit entfernt. Allerdings werden spezielle Neurochips sich der Assoziations- und Lernfähigkeit des Gehirns weiter annähern. Organische Halbleiter und Biochips werden die Flexibiliät und Vielfalt biologischer Moleküle mit der Elektronischen Informationsverarbeitung koppeln. Mikrosysteme werden die Datenaufnahme (Sensoren) und die Verarbeitung (Prozessoren) auf einem Chip integrieren.

Das dabei die Leistungsfähigkeit der Software ebenso wie die der Chips mitwachsen muss, dürfte jedem klar sein. Auch hier wird es Entwicklung geben, die heute noch unvorstellbar sind. So werden sich die Programmiersprachen beispielsweise zukünftig weitgehend einer natürlichen Sprache annähern. Neue Verfahren werden für fehlerfreie und fehlertolerante Programme sorgen.

Die Welt ändert sich ständig. Manchmal schneller als wir es uns alle vorstellen können. Auf jeden Fall aber unaufhaltsam. Die Risiken und Chancen, die sich daraus ergeben: Schau’n mer mal!

Redaktion: Helmut Peters