Mit Ideen schwierige Probleme lösen

Kreative Lösungen beim Einrüsten schwieriger Grundrisse

Trotz moderner Technik und ausgereifter Systeme ist und bleibt der Gerüstbau ein weites Feld für Menschen, die sich ständig neuen Herausforderungen stellen müssen. Keine Aufgabe im Gerüstbau ist gleich zu lösen, selbst wenn Außenstehende gewisse Standards erkennen möchten. Zu unterschiedlich sind die Bedingungen und Einflüsse in jedem Einzelfall. Zu unterschiedlich sind die Kräfte, die auf ein Gerüst einwirken. Was den Gerüstbau so spannend macht, möchten wir nachfolgend an verschiedenen Einzelbeispielen aufzeigen. Das Einrüsten schwieriger Grundrisse mag stets am Anfang Kopfzerbrechen und Probleme bereiten. Unter dem Strich steht jedoch immer, was man mit Verstand, Wissen, Erfahrung und dem richtigen Gerät erreichen kann. Genau das nämlich hat allen Beteiligten an den nachfolgend aufgeführten Projekten am meisten Spass gemacht.

Ein höchst ungewöhnlicher Gebäudeabbruch

Viele Gerüstbauer hätten vermutlich auf den Anforderungskatalog der extrem komplizierten Baustelleneinrichtung des Erweiterungsbaus der Sparkasse in Göttingen mit ablehnendem Kopfschütteln reagiert. Nicht so das Gerüstbauunternehmen Menke, dass die ungewöhnliche Einrüstungsaufgabe mit kompatiblen plettac Systembauteilen voll in den Griff bekam.

Das Problem bestand darin, dass für den Erweiterungsbau nur der Innenhof des um 1900 errichteten Gebäudekomplexes in Frage kam. Entsorgung und Beschickung der Baustelle war nur von oben möglich. Es war aus den verschiedensten Gründen weder im Innenhof noch um den Gebäudekomplex herum möglich, Teile der Traggerüstkonstruktion oder der temporären Dachkonstruktion vorzumontieren oder über einen längeren Zeitraum zu lagern. Die Dachkonstruktion musste absolut wasser- und staubdicht sein. Da die Entsorgung für die Abbrucharbeiten und die Versorgung für die Neubauarbeiten ausschließlich von oben zu erfolgen hatte, musste die Dachkonstruktion begehbar und an verschiedenen Stellen punktuell beschickbar sein. Zudem legten die Sanierungsplaner besonderen Wert auf gute Lichtverhältnisse. Die Problemlösung wurde ausnahmslos mit Systembauteilen von plettac erreicht. Für die Traggerüste setzte man dabei u.a. das stabile Kombigerüst SL 100 ein. Für die temporäre Wetterschutzkonstruktion entschied man sich für das plettac Moduldach.

Nach der Einrüstung erfolgte der höchst ungewöhnliche Gebäudeabbruch. Ein Abbruchbagger, der mit dem Turmdrehkran auf die oberste Betondecke des Abbruchgebäudes eingebracht wurde, arbeitete sich dann etagenweise von oben nach unten durch das Gebäude. Sämtliche Entsorgungs- und Versorgungsarbeiten wurden von oben aber das Moduldach durchgeführt. Da sich die Dachmodule des begehbaren plettac Moduldaches an beliebiger Stelle öffnen und verschließen lassen, konnte trotz extremer Baustellenverhältnisse ein reibungsloser und punktgenauer Vertikalverkehr gesichert werden. Durch den Einbau von Lichtmodulen wurden für die Ausführungsarbeiten optimale Lichtverhältnisse geschaffen. Auch die Mitarbeiter der Sparkasse und ihre Kunden zeigten sich hochzufrieden, denn der Bankbetrieb wurde während der 18-monatigen Bauarbeiten zu keinem Zeitpunkt gestört.

Wahrend der Bauausführung im ersten Bauabschnitt wurde deutlich, dass das Spitzdach vollständig abgerissen werden musste. Um einen freien Zugang für die Abbrucharbeiten zu sichern, war es unumgänglich, das südliche Traggerüst vollständig zu entfernen, und an anderer geeigneter Stelle dem Moduldach eine neue Auflagerkonstruktion zu verschaffen. Selbstverständlich durfte auch bei diesen Arbeiten der Wetter- und Staubschutz des temporären Daches in keiner Weise eingeschränkt werden. Aus gleichem Grund mußte der oberkragende Teil des Moduldaches, der eine Hälfte des Spitzdaches oberdachte, um vier Meter verkürzt werden.

Eine geeignete Plazierung für das Austauschgerüst bot die mittlerweile fertiggestellte Betonwanne des zukünftigen Technikraumes der Sparkasse. Das Niveau dieser Betonwanne befindet sich 8 m über Terrain. Der Gerüstbauer errichtete mit dem Kombigerüst SL100 über drei Etagen ein Traggerüst und montierte die kompatiblen Auflagerrahmen des Moduldaches für den Anschluss an die Gitterträger. Nun konnte das erste Traggerüst vollständig demontiert werden. Die Statiker der plettac AG hatten aufgrund der Anforderungen des zweiten Bauabschnittes eine flexible Aufteilung der Gitterträgerkonstruktion angeordnet. Auf jeder Seite des sattelförmigen Moduldaches wurden ein 6 m und 4 m langer Schwerlastgitterträger zu einem Träger verbunden. Dieser Vorteil kam nun auch der unvorhergesehenen Reduzierung des Moduldaches entgegen.

Großraum-Rüstung

Auch beim Gerüstbauunternehmen Eisner aus Würzburg geht es bei einem Beispiel für das Einrüsten schwieriger Grundrisse zunächst um eine Innenraumeinrüstung. Im südthüringischen Suhl sollte die an eine Investorengruppe verkaufte alte Stadthalle modernisiert werden . Dazu wurde die alte Stadthalle komplett entkernt, es blieben nur das Betonskelett des Hochhauses, des Schwimmbades und der großen runden Halle stehen.

Nach den Bauarbeiten wurde die neue Bühnentechnik einschließlich einer sehr aufwendigen Lichttechnik eingebaut, parallel mussten stufenweise Trockenbau-, Akustik- und Deckenelemente abgehängt, wegen der Akustik eine sehr aufwendige Konstruktion, und schließlich wird das Gebäude noch innen komplett verputzt und verkleidet werden.

“12.000 cbm Allroundgerüst waren hier gefordert”, erinnern sich Konrad Wickler, Niederlassungsleiter von Eisner in Suhl, und Hugo Röder, langjähriger Eisner-Mitarbeiter und verantwortlich für die Technik-Koordination der einzelnen Betriebe. “12.000 cbm Raumgerüst für 3 verschiedene Auftraggeber – die Bühnentechnik, den Trockenbau und die Wandverkleidung, teils über Ausschreibung, teils für die entsprechenden Handwerker. Unsere Material- und Montage-Kapazität war bei diesem Gerüst-Volumen und den engen Terminen auftragsentscheidend.”

Als ob Gerüst-Volumen und Termine – das ganze Gerüst musste in 3 Wochen montiert sein – nicht schon genug Stress bedeuteten: Anlieferung und Transport des Gerüsts wurden dadurch erschwert, dass man nicht in die Halle hineinfahren durfte; die modernen Gerüst-Container von Eisner mussten außen abgesetzt, das Material auf Handwagen verladen und durch die Halle gefahren werden. Zudem waren die Lichtverhältnisse sehr schlecht, da die Beleuchtung erst vom fertigen Gerüst aus montiert werden sollte, während der Gerüstmontage also nur eigene Bauleuchten zur Verfügung standen, die eine solche Halle nur punktuell und bescheiden ausleuchten.

Die größte technische Herausforderung an dieser Baustelle war aber sicher die problematische Lastverteilung: unter dem Hallenboden ist ein Kellergeschoss mit sehr großen Achsabständen, deshalb war die Hallendecke nur bedingt tragfähig. Im Inneren der Halle durfte die Punktbelastung 500 kg nicht überschreiten, im äußeren Bereich waren maximal 1000 kg zugelassen. Und das bei dieser Gebäude-Geometrie: ein ovaler Grundriss, unterschiedliche Aufstandsebenen, abgetrennte Arbeitsebenen in der Kuppel – die Handwerker wollen überall in optimaler Höhe zur Montage stehen, gleichzeitig aber durchgängig über die gesamte Decke laufen können und nicht zu separaten Aufgängen gehen müssen. Die geringe Belastungsfähigkeit des Hallenbodens, verbunden mit komplizierten Gründungs-Voraussetzungen durch die Emporen, durch die Stufen, verlangte optimale Gerüstplanung und gekonnte Montage. Man musste so filigran wie möglich bauen, die Lasten gleichmäßig abtragen und immer darauf achten, dass die Punktbelastung niedrig blieb. Hilfe bot die große Steifigkeit des Allroundgerüsts. So kam man denn auch mit relativ wenig Material für diese großen Gerüstflächen aus.

Einrüstung des “Käppele” in Würzburg

Und noch ein Beispiel vom Gerüstbauunternehmen Eisner, das zeigt, welche Schwierigkeiten beim Gerüstbau mit Ideen zu lösen sind.

Das “Käppele” ist eines der Wahrzeichen der Stadt Würzburg und musste dringend renoviert werden. Die Einrüstung der 3 Türme war nicht aufregend – freitragende, selbstaussteifende Gerüste um Kuppeln sind für Eisner keine schwierigen Gerüste. Die Schwierigkeit lag im Transport des Gerüsts zur Baustelle. Der Fahrweg für den Lkw hört an einem Zaun auf, dahinter fällt steil eine Böschung ab, die nur über Treppen zu überbrücken ist. Anstatt das gesamte Gerüstmaterial über diese Treppen manuell zu bewegen, baute Eisner ein Allroundgerüst 40 m lang, 2 m breit und bis zu 14 m hoch in diese Böschung hinein, über Dächer anderer Gebäude hinweg, direkt bis zum Materialaufzug für den Gerüstaufbau. So hat man über 200 m Transportweg für den manuellen Transport gespart, konnte Transporthilfsmittel einsetzen und brauchte die Kirche nicht von unten einzurüsten. Die Konstruktion lief in eine Plattform aus, auf der man Material zwischenlagern und den Aufzug bedienen konnte.

18.000 qm Gerüst für westliches Fassaden-Outfit

In Moskau, unweit vom Gagarin-Prospekt, wächst derzeit eines der größten Bürogebäude der Hauptstadt der russischen Förderation in den Himmel: der über 100 m hohe Neubau der Sparbank der Russischen Föderation. Nach seiner Fertigstellung Ende September dieses Jahres wird das Renommiergebäude mit Fassaden aus Naturstein, Glas und Aluminium westlichem Standard in nichts nachstehen. Eine organisatorische Glanzleistung müssen dabei die Gerüstbauer bewerkstelligen: Mit rund 18 000 m2 von Thyssen Hünnebeck geliefertem Bosta-Gerüst sind insgesamt 39 000 m2 Fassade einzurüsten.

Zeitweilig gleicht die Baustelle der Hochtief AG, Essen, einem “Ameisenhaufen”. 1800 Arbeiter legen Hand an, um ein architektonisch aufsehenerregendes Bürogebäude zu errichten: 357000 cbm umbauter Raum, 85000 m2 Geschossfläche, 20000 m2 Natursteinfassade, 15000 m2 Alu-Glasfassade und 3800 m2 Putzfassade. Das Gebäude umfasst als Basis einen großen Flachbau von 16,53 m Höhe, über den sich ein 16stöckiges Hochhaus “B” und ein 26stöckiger Büroturm “A” erhebt.

Das von Thyssen Hünnebeck gelieferte Gerüst dient zur Montage der Fassadenplatten und zum Verputzen. Da das ausführende Bauunternehmen Hochtief vom Gerüstbauer die Einhaltung deutscher Sicherheitsnormen verlangte, kam nur das Bosta 100-System infrage. Denn ausgestattet mit Stahlhorizontalrahmen 250 ist es das einzige Fassadengerüst auf dem Markt, das die Zulassung für 6 kN/m2 hat und Teilflächenlasten bis 10 kN/m2 aufnehmen kann.

Zuerst wurde der Flachbau errichtet und bis zur Höhe von circa 16,00 m eingerüstet. Bei diesem ersten Einrüstungsabschnitt lernte das russische Subunternehmen, mit dem Gerüstmaterial und der Arbeit am Gerüst in verschiedenen Höhen umzugehen. Der Bau wurde mit Türen und Fenstern sowie zwei Winterbaudächern mit zusammen 1080,50 m2 versehen und beheizt, um während der Wintermonate mit dem Innenausbau zu beginnen.

Während die beiden Hochhäuser A und B trotz eisiger Kälte in Moskau in Holzträger-Großflächenschalungen von Thyssen Hünnebeck in die Höhe wuchsen, erhält der Flachbau bereits seine Fassadenverkleidung. Im zweiten Einrüstungsabschnitt werden die dann nicht mehr benötigten Gerüste am Flachbau abmontiert und für die Einrüstung des 16stöckigen Hochhauses B mit 8951 m2 Gerüstfläche verwendet.

Wenn schließlich der dominante Büroturm A seine endgültige Höhe von 100 m erreicht hat, müssen die Fassaden am Flachbau und am Hochhaus B abgeschlossen sein. Denn dann werden zwei Drittel des gesamten Gerüstmaterials für das Einrüste des Büroturms A, künftiges Wahrzeichen des Verwaltungsgebäudes, gebraucht. Dieser dritte Einrüstungsabschnitt hat eine Gerüstfläche von 13000 m2. Die extreme Höhe und Belastung verursachen Stiellasten bis zu 6 kN. Deshalb wird das Gerüst aus statischen Gründen und aus Montagegründen zum Teil auf Konsolen aufgesetzt, die man am Bauwerk anbringt. Eingebaut werden auch noch zwei abgehängte Arbeitsplattformen für mehrere Vorsprünge in verschiedenen Höhen.

Ein weiteres Problem bestand in der Gerüstverankerung, deren Art und Planung mit der Fassadenfirma Gnotke genau abgestimmt werden musste. Das gesamte Gerüst muss nämlich während der Verlegung der Natursteinplatten von herkömmlicher Verankerung auf Koro-Anker umgestellt werden. Auch die Ankerpunkte an den hohen Betonskelettbauten müssen wegen der Horizontalkräfte und der Dehnung bei Temperaturschwankungen sehr sorgfältig gewählt werden.

Tribünenbau aus einem Guß

Wer im Sport an die Spitze will, muss seine Techniken ständig verbessern. Und damit ebenfalls beweisen, dass auch im Bereich des Tribünenbaus schwierige Probleme zu meistern sind. Die Gerüstkonstrukteure von Thyssen Hünnebeck entwickelten das bewährte Modex-Gerüst für den Einsatz als Tribüne weiter. Neu ist die Sitz- und Treppenwange, deren erstmaliger Einbau rund 40% Material sparte. Mit dieser wirtschaftlichen Lösung gewann das Ratinger Unternehmen die Ausschreibung der Stadt Maribor in Slowenien. Sie setzte die Tribüne beim Abfahrtslauf des Damen-Ski World Cup im Januar 1996 ein.

Thyssen Hünnebeck garantierte den pünktlichen Aufbau der Tribüne, obwohl für Konstruktion und Lieferung nur drei Wochen bis zum Aufbau zur Verfügung standen. Das Modex-System konnte seine Vorteile voll ausspielen: Von den 57,5 to Gerüstmaterial für die 60 m lange, 10 m breite und 5 m hohe Tribüne mit 1450 Sitzplätzen waren rund 80% Serientei]e, die das System besonders handlich machen. Schon diese Eigenschaft garantiert den schnellen Gerüstaufbau .

Die neu entwickelten Sitz- und Treppenwangen werden wie normale Horizontalriegel mit den Anschlusstellern der Vertikalstiele verbunden. Sie tragen die speziell lackierte Vollholzbohle 2,00m/0,32m für die Sitzflächen und den gleichgroßen Stahlbelag für Treppenstufen und Laufflächen. Der Vorteil: Die Wangen überbrücken einen Stielabstand in der Tiefe von 2,50 m, das ist über 1 m mehr als bei einem üblichen Aufbau ohne die Neuentwicklung. Insgesamt ersparte diese Konstruktion bei großer Stabilität rund 40% Material. Der Einsparungseffekt geht keinesfalls zu Lasten der Tragfähigkeit. Die Belastung der Tribüne in dieser Bauweise beträgt 6 kN/m2 und entspricht den Bestimmungen der deutschen Versammlungsstättenverordnung, die auch für die Stadt Maribor als Sicherheitsgrundlage wichtig war.

Aus Termingründen ließ die Stadtverwaltung die Tribüne allerdings nur in 18 m Länge und 12,50 m Tiefe mit 500 Sitzplätzen für die Ehrengäste im Zieleinlauf des Ski World Cup aufbauen. Von dort aus beobachteten der slowenische Präsident Milan Kocan und der deutsche Botschafter in Slowenien, Dr. Günther Seibert, mit anderen Ehrengästen die schnellsten Mädchen der Welt auf der Skipiste. Die übrigen Teile der Lieferung von Thyssen Hünnebeck wurden bereits für eine andere Veranstaltung eingesetzt. Die Stadt Maribor ist von den Vorteilen der Modex-Tribüne so überzeugt, dass sie bereits für vier weitere wichtige Einsätze verplant ist, unter anderem für den Besuch des Papstes im Frühjahr.

Redaktion: Helmut Peters