Wohngifte: Die heimliche Gefahr

Im Alltag kommt der normale Bürger eines Industriestaates mit rund 50.000 Gebrauchschemikalien, 1.500 Pflanzenschutzmitteln und 3.000 Konservierungsstoffen in Kontakt. Schadstoffe aus Baustoffen, Holzverkleidungen, Möbeln, Teppichen, Leder und Textilien können dabei zu außergewöhnlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.

Trotz des in den letzten Jahren weiter gestiegenen Umweltbewusstseins finden sich gerade im Bau- und Wohnbereich immer noch eine Vielzahl von Wohngiften, die heimlich und oft genug unbemerkt ihr gesundheitsbeeinträchtigendes Werk verrichten. Die meisten dieser Wohngifte haben ein breites toxisches Wirkungsspektrum und die Symptome können sich individuell verschieden auswirken. Typische Beschwerden sind beispielsweise Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Reizbarkeit und Depressionen, Allergien und Schleimhautreizungen, migräneartige Kopfschmerzen und Konzentrationsschwächen. Im schlimmsten Fall können Wohngifte sogar zu Krebs führen.

Sehr unterschiedliche Schadstoffgefahren

Große Bedeutung hat immer noch Formaldehyd in Spanplatten, Holzpaneelen und Möbel, die nicht aus Vollholz bestehen. Die heute geltende „E1-Norm“ gilt nur unter Laborbedingungen, aber nicht für Wohnungen.

In der Vergangenheit wurden auch häufig bedenkliche Holzschutzmittel verwendet, die zum Beispiel PCP (Pentachlorphenol) enthalten, ein nachweislich gefährliches und mittlerweile verbotenes Umweltgift. Zu den gesundheitsgefährdenden Stoffen in Holzschutzmitteln zählen auch Lindan oder Dichlofluanid. Die Wirkstoffe gegen Insekten- oder Pilzbefall können nach der Anwendung in Innenräumen für den Menschen gefährlich sein. Zu den „modernen“ Schädlingsbekämpfungsmitteln gehören die sogenannten Pyrethroide, wie beispielsweise Permethrin, die häufig auch in Wollteppichen als Mottenschutzmittel eingesetzt werden.

Zahlreiche Lacke, Farben, Sprays und Kleber enthalten Lösemittel, die schwere Gesundheitsschäden verursachen können. Wissen sollte man dabei, dass auch aus den als „wasserlöslich“ und als „lösemittelfrei“ gekennzeichneten Materialien flüchtige organische Verbindungen ausgasen. Über die Atemluft gelangen die Lösemittel in die Lunge, von wo aus sie über das Blut in die einzelnen Organe transportiert werden.

Natürlich sind auch die biologischen Schadstoffe nicht zu unterschätzen. Pilze und Bakterien werden zunehmend als Verursacher von Schleimhautreizungen, Atemwegsbeschwerden oder anderen Erkrankungen erkannt. Neben den leicht erkennbaren Schimmelpilzbelastungen an Wänden, gibt es viele Fälle, wo der Pilzbefall versteckt ist. Nur mit aufwendigen Untersuchungen lässt sich dann die Gefahrenquelle finden.

Weitgehend unbeachtet sind eine ganze Reihe von anderen Stoffen, die im Haus vorkommen können und gefährdend wirken. Zum Beispiel Weichmacher in Kunststoffen, PCB in Dichtungsmassen und Kondensatoren, Blei und Kupfer im Trinkwasser, Mineralfasern aus Brandschutz und Wärmedämmung, Benzol im Benzin, Stickoxide und Kohlenmonoxid aus Heizungsanlagen. Für Mieter oder Hausbesitzer, die noch mit alten Nachtspeicheröfen heizen, ist die Frage wichtig, ob diese Asbest freisetzen. Nicht zuletzt können auch elektrische und magnetische Felder in Wohnungen oder Häusern zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen.

Umweltberatung nutzen

Für den normalen Verbraucher ist das Erkennen von Wohngiften eine schwierige und oftmals kaum zu lösende Aufgabe. Wer fragt schon beim Kauf einer Küche oder eines Schrankes nach Schadstoffbeeinträchtigungen durch verwendete Werkstoffe.  Selbst der Verkäufer wird nur in den wenigsten Fällen eine solche Frage beantworten können. Mehr Hilfe bieten da beispielsweise  die Umweltberater von Verbraucherschutz- oder aber Mietervereinen.  Hier bekommt man eine Vielzahl von Tipps und Informationen, mit dem man dem Problem Wohngifte auf den Leib rücken kann.

Wer’s ganz genau wissen will oder beim Bau eines Hauses auf Nummer sicher gehen möchte, der kann sich auch an eines der Unternehmen wenden, die sich auf die Untersuchung und Begutachtung von Wohnbereichen spezialisiert  haben. Das empfiehlt sich vor allem dann, wenn der Verdacht besteht, dass Baufehler oder der Einsatz von schadstoffbelasteten Baumaterialien zu einer Erkrankung geführt hat. Die Ergebnisse dienen den Ärzten zur Diagnose und können in Gutachten verwendet werden.

Kleine Dinge – grosse Wirkung

Was aber, wenn man nun mögliche Schadstoffbelastungen in der Wohnung oder im Haus im nachhinein feststellt? Haus abreißen und alle Möbel fortwerfen? Natürlich gibt es Fälle, wo nur eine Totalsanierung die Probleme lösen kann. Aber auch jenseits solcher eher seltenen Fälle kann man mit kleinen Maßnahmen Abhilfe schaffen und die Schadstoffbelastung verringern.  So lassen sich die Wirkung mancher Schadstoffe, insbesondere Formaldehyd oder PCB beispielsweise durch Versiegelung reduzieren, indem man die Schnittflächen von Spannplatten bei Möbeln abklebt oder Holzflächen mit Schellack versiegelt. Häufig kann aber auch schon richtiges Lüften hilfreich sein.

Schäden durch Wohngifte lassen sich also am besten bereits im Vorfeld vermeiden. Bei vielen Produkten, die im Wohnbereich verwendet werden, sind die kritischen Aspekte bekannt. Dort, wo Produkte als bedenklich eingestuft werden, gibt es in der Regel sinnvolle Alternativen.

Redaktion: Helmut Peters