Die Gaststätte “Marcelli”

Zu den bekanntesten Erinnerungen an das alte Krefeld gehört ein Bild von der Moerser Straße, auf dem ein Botenfuhrwerk und ein über die Fahrbahn niedergehender Schlagbaum zu sehen sind. Das Haus im Hintergrund ist die bekannte Gastwirtschaft “Marcelli” an der Ecke der Heyenbaumstraße.

Die Wirtschaft geht auf einen “Böngertges-Hof” zurück, der schon im Jahre 1660 beurkundet ist. Im vorigen Jahrhundert erscheint als Eigentümer der Wirt Heinrich Schleier. Ihm folgte der Krefelder Häusermakler Hermann Davids, der den Besitz an Hermann Noebels verpachtete. 1906 kam der “Böngertges-Hof” an die Geschwister Friesen.

Die Tradition des Hofes ist eng mit einer Wegegeldstelle verbunden. Sie entstand in einer Zeit, als die Regierung die Städte dazu anhielt, Mittel für die Unterhaltung der Communalwege bereitzustellen. Zum Ausgleich durfte sie “Chausseegeld” erheben. Dazu wurden – meist bei Gasthäusern – Hebestellen eingerichtet, die durch eine “Barriere” kenntlich waren. 

So auch seit 1832 am “Böngertges-Hof”, als der Weg nach Moers, bis dahin kaum mehr als eine Karrenspur zur Landstraße ausgebaut wurde. Die Hebestelle Moerser Straße hieß im Volksmund lange Zeit “An der Barriere”. Als Pächter der Hebestelle sind die Wirte Wilhelm Schleyen und Hermann Noebels bezeugt. Als gegen Ende des Jahrhunderts der Chausseezoll wegfiel, verschwand die Einnehmerstelle mit dem zugehörigen Schlagbaum.

Im Jahre 1908 stand in der Niederheinischen Volkszeitung zu lesen, Johann Marcelli habe am 6. Juni an der Moerser Straße eine Gastwirtschaft eröffnet. Seitdem ist die Sippe Marcelli auf dem “Böngertges-Hof” zu Hause. 

Johanns Vater Hermann war aus Italien (seine engere Heimat ist nicht überliefert) eingewandert und hatte sich in Verberg als Schmied niedergelassen. Handwerk und Schmiede vererbte er auf seinen 1854 geborenen Sohn Hermann. Dessen Geschwister Johann, Heinrich, Karoline und Zetta waren es, die 1908 das zum Verkauf stehende Anwesen an der Moerser Straße übernahmen.

In alten Krefelder Familien wird noch erzählt, daß Marcelli schon vor dem Ersten Weltkrieg als zünftiges Sommerlokal geschätzt war. Man baute einen Tanzsaal, wo Husarenuniformen zur gewohnten Kulisse gehörten und Groschentänze Geld in die Kasse brachten. 

Es gab einen herrlichen Garten mit Tischgruppen zwischen Taxushecken, es gab einen Kinderspielplatz, ein Backhaus und eine Voliere mit bunten Vögeln und Eichhörnchen. Wenn bei schönem Wetter Ausflügler der Moerser Straßenbahn entstiegen, setzte man ein Grammophon ins Fenster.

In der Zeit zwischen den Kriegen richteten sich die Geschäfte mehr und mehr auf die Gastwirtschaft aus. 1941 starb mit Zetta das letzte der vier Marcelli-Geschwister. Seit 1985 wird die Gaststätte von Karolinens Urenkelin Inge Hansen geführt.

Redaktion: Helmut Peters

zurück zur Artikelliste “Kliedbruch”