Der “Kühnen-Zirkus”

An der Einmündung des Langendyk in den Hökendyk, inmitten eines idyllischen Wald- und Wiesengebietes, liegt die Krefelder Reitanlage “Reitstall Kühnen”. Diese Anlage ist weit über die Grenzen Krefelds hinaus in Reitsportkreisen bekannt. Alljährlich im Frühsommer findet ein Turnier statt, welches sich in Krefeld – einer Stadt mit Reitertradition – großer Beliebtheit erfreut. Nun stellt sich die Frage, aus welchen Gründen diese Anlage bei älteren Krefelder Bürgern als “Kühnen-Zirkus” bekannt ist?

Im vergangenen Jahrhundert gab es in Amerika einen schwimmenden Zirkus, eine riesige Halle mit allem Drum und Dran auf einem ebenso riesigen Ponton, der von Schleppern gezogen in die Flußmündungen geschleppt wurde zu den jeweiligen Veranstaltungsorten. Eine Attraktion für die damalige Bevölkerung. Und wie so manches andere, früher und heute, kam auch diese Attraktion über das Meer nach Deutschland und wurde auch hier von Schleppern von Stadt zu Stadt rheinaufwärts bis in die rheinhessischen Gebiete und von dort wieder rheinabwärts gezogen. Und wie so oft mit anziehenden Neuerungen erlahmte das Interesse der Bevölkerung, die Einkünfte wurden knapp.

Im Jahre 1877 kam es in Duisburg zur Versteigerung des Zirkus. Unter den Besuchern der Versteigerung saß auch Jakob Kühnen aus Krefeld. Ihn hatte schon immer dieser schwimmende Zirkus interessiert und imponiert. Er bot mit und bekam schließlich den Zuschlag. Er bezahlte bar; er war ein wohlhabender Krefelder Bürger und stammte aus einer der ältesten Bauernfamilien am Niederrhein. In Krefeld entsorgte er die Toiletten mit 23 Gespannen, Dampfpumpen und dicken Schläuchen. Den ersteigerten Zauberpalast transportierte er komplett nach Krefeld in den Kliedbruch und machte daraus einen eben nicht üblichen Bauernhof. Das war natürlich ein Aufsehen wert unter der Bevölkerung. Und so hieß es eben fortan einfach “Kühnens Zirkus im Kiiedbruch”.

Der Zirkus wurde zwar wieder originalgetreu aufgebaut, doch fand darin kein Zirkus mehr statt. Je nach Jahreszeit diente die Halle zur Unterbringung der Ernte – es hatten darin die Ernteerträge von gut 350 Morgen Land bequem Platz – und als Unterstellplatz für landwirtschaftliche Maschinen. Sechzig Meter lang und fünfundzwanzig Meter breit war die Halle gewesen.

1942 wurde das gesamte Anwesen durch Bomben zerstört und das Leben des Architekten Friedrich Kühnen Sohn des Jakob Kühnen sowie seiner Ehefrau jäh ausgelöscht. Auch der wertvolle Baumbestand im Umkreis des Hofes – 100-jährige Eichen – wurde ein Opfer der Bomben. Nach dem Kriege wurde das Anwesen mit Fleiß, Mühe und Arbeit wieder von Friedrich-Wilhelm Kühnen, Sohn des Friedrich Kühnen und Enkel von Jakob Kühnen, aufgebaut. 1972 wurde die Landwirtschaft aufgegeben und der Reitstall Kühnen mit Errichtung der großen Reithalle und der Stallungen gestartet.

Redaktion: Helmut Peters

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